Erfolgreiches Podcasting im True-Crime-Format

von | 4. Apr. 2022

True-Crime-Formate sind auf dem deutschen Podcast-Markt erfolgreich. Wir stellen eine der derzeit beliebtesten Serien vor: „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe“.

Podcasts gibt es eigentlich zu allen Themen, die auch für andere Medien wichtig sind. Auf den Listen der erfolgreichsten deutschen Audio-Serien zeichnen sich jedoch Tendenzen ab. So eignen sich Kriminalgeschichten offenbar besonders gut für Podcasts. Oder besonders viele Podcast-Hörer:innen sind Krimi-Fans. Unter den 100 meistgehörten Podcasts auf der Plattform Spotify waren zum Zeitpunkt meiner Recherche 12 dem Krimi-Genre zuzuordnen. Bei Podwatch gab es 13 Krimi-Podcasts unter den ersten 100, bei Podtail 9. Gefühlt entspricht dies in etwa dem Anteil von Krimis in den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen.

True Stories: Audio-Geschichten wirken real

Allerdings handelt es sich bei den gelisteten Audio-Kriminalgeschichten auffällig häufig um reale Verbrechen – also sogenannte True-Crime-Formate. Bis auf wenige Ausnahmen wie dem „Krimi-Hörspiel“ vom Deutschlandfunk Kultur oder der Podcast-Serie „Kein Mucks!“ von Radio Bremen mit Hörspielen der 1950er bis 1980er Jahre recherchieren und präsentieren kriminalistische Podcast-Macher:innen geklärte und ungeklärte Kriminalfälle, die sich wirklich ereignet haben. Allen voran natürlich Morde.

Reale Geschichten, zu denen es wenige oder keine Bilder gibt – die Tat hat sicherlich niemand gefilmt –, eignen sich hervorragend fürs rein Auditive. Denn hier entstehen die Bilder in unseren Köpfen, und diese Bilder können sich mitunter verselbständigen, mächtiger und wirklicher werden als die Kreationen visueller oder audiovisueller Medien. Wie real Audio-Stories wirken können, belegte die Radio-Reportage „War of the Worlds“ von Orson Welles. 1938 soll sie in den USA zu einer Massenpanik geführt haben, da viele ihren fiktiven Charakter missverstanden. Podcasting hat das Potenzial, uns mit gutem Storytelling unter die Haut zu gehen.

Podcast-Serie „Mordlust“ führt die Listen an

Zu den derzeit am häufigsten gestreamten Krimipodcasts überhaupt gehören die der Serie „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe“, in der die Journalistinnen Paulina Krasa und Laura Wohlers seit Juli 2018 alle zwei Wochen jeweils zwei wahre Kriminalfälle vorstellen. Ursprünglich wurde „Mordlust“ von der zum ZDF gehörenden Firma Funk produziert. Inzwischen reichen für die Finanzierung offenbar die Aufträge für Werbebeiträge, die von den Journalistinnen selbst eingesprochen werden. Denn seit Anfang des Jahres arbeiten sie nur noch mit ihrem eigenen Team. Was ist ihr Erfolgsrezept? Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich mal reingehört.

Nie „despektierliches“ Geplänkel

Jeder Podcast beginnt mit einem Jingle, das ein wenig an die Hui-Buh-Hörspiele der 1970er Jahre erinnert. Darauf folgt ein lockeres Gespräch zwischen den beiden Journalistinnen, das im Laufe der ca. 90 Minuten langen Podcast-Folgen immer wieder aufgenommen wird und die meiste Zeit einnimmt. Sie kichern viel und halten mit Wissenslücken nicht hinter dem Berg. Ihr Geplänkel sei aber, wie sie stets betonen, nie „despektierlich“ gemeint. Ein spielerischer Reigen von improvisiert wirkenden Sequenzen umrahmt auf diese Weise die beiden Hauptbeiträge. Im Kontrast zum Übrigen sind diese stärker journalistisch geprägt und haben einen seriöseren Charakter.

Für jede Sendung recherchieren Krasa und Wohlers jeweils einen Fall, führen Interviews, machen sich über Hintergründe und die beteiligten Personen Gedanken und schreiben schöne, lebendige und literarisch anmutende Texte, die sie nicht nur dem Podcast-Publikum, sondern sich auch gegenseitig vorlesen. Dass die jeweils Zuhörende den Text der Vorlesenden tatsächlich nicht kennt, wirkt glaubhaft, wenn von Wohlers immer mal wieder ein „Aha“ kommt und Krasas Quizfragen zum Verlesenen unsicher beantwortet.

Mehr als Mord und Totschlag

Bei den Geschichten geht es eigentlich nie bloß um Spannung, Mord und Gänsehaut, sondern immer auch um Themen, die sich für engagierten Journalismus eignen. Dazu gehört zum Beispiel ein Beitrag zum Kindesmissbrauch oder zur Frage der Schuldfähigkeit bei Täter:innen mit Lernschwierigkeiten. Besonders gut gefallen hat mir die vom üblichen Schema abweichende Folge, die zwei Jahre nach dem Attentat in Hanau dem Anschlag, den Opfern und ihren Familien gewidmet wurde.

Zielgruppengerechtes Podcasting

Beim Konsum mehrerer Mordlust-Folgen verflüchtigt sich der Eindruck der fröhlichen Improvisation hinter einem doch einigermaßen rigiden Kompositionsschema, das für Wiederholung sorgt. Dabei muss ich gestehen, dass ich es nie geschafft habe, eine Folge komplett anzuhören. Die Geschichte an sich müsste mich schon sehr packen, damit ich auch die lustigen Dialoge über eine Stunde durchhalte. Offenbar gehöre ich nicht zur Zielgruppe, denn der Erfolg von „Mordlust“ gibt Krasa und Wohlers Recht.

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